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  • Januar 26, 2025

    1

    Von Zeit zu Zeit, durchaus des Öfteren, habe ich den Drang zu verschwinden. Nicht aus dem Leben, aus dem Blickfeld vielmehr. Gleichzeitig sehe und lese ich Worte der Menschen, die ich mal kannte, deren Meinungen mir wichtig waren, deren Drang ebenso ein Schreiben war. Sie sind nicht verschwunden, sie sind geblieben, sie sind stärker da, sichtbar, nehmen Platz und Raum und Seiten ein. Es ist gut, dass sie nicht nur da sind, sondern dass sie lauter sind.

    Von Zeit zu Zeit eben der Drang, im Internet nicht so auffindbar zu sein, ein kleiner Moment des Vergessenwerdenwollens. Doch manches hat sich schon längst potenziert, ist in Internetarchiven, in LAION Datasets (deshalb gibt es hier keine Fotos mehr); ChatGPT kann mit meinem Namen etwas anfangen. Vor Jahren habe ich mich gefragt, wann das Verschwinden, das Zurückziehen beginnt. Da entschieden sich andere Personen aus dem Kreis, den ich kannte, nichts mehr zu veröffentlichen, sich zurückzuziehen, alte Arbeiten zu entfernen, ihren Namen abzukoppeln von ihrem Alter Ego, ihren Arbeiten und den Rezensionen zu ihnen.

    Als würde es notwendig sein, die Haut hinter sich zu lassen, die früher gepasst hat, die mittlerweile jedoch zwickt und zwiebelt und sich viel zu eng anfühlt. Eine Art Emanzipation von sich selbst.

    Dann verlernt man immer mehr um etwas anderes lernen zu können, saugt mehr auf, aber lässt weniger aus sich heraus in die Welt. Das Erwachsensein vielleicht. Bei mir kam dies einige Jahre zu spät, mittlerweile weiß ich wieso. Mittlerweile weiß ich auch, wieso manche meiner Verhaltensweisen auf den einen oder die andere zu hölzern wirkten, einschüchternd, irritierend. Wieso manche meiner Texte egal in welcher Form anders verstanden wurden, als sie gemeint waren.

    Früher habe ich mich sehr wohl damit gefühlt, alleine zu sein, immerhin hatte ich Zeit nur für mich. Heute ist mein Leben deutlich voller, weil erfüllter. Mit wunderbarem Partner, eigener Wohnung für mich selbst, von der ich lange nicht dachte, dass ich sie mal alleine unterhalten könnte. Oder dass ich noch immer in ihr wohnen würde. Mit einem Studiengang, der eine Mischung aus zu viel Arbeit, Prestige und Verständnis ist. Ich würde gern viel mehr Zeit aufbringen für dieses Fach, dieses Studium. An dem Punkt ankommen, an dem andere Personen vor zwei Generationen bereits standen. Ihnen nachforschen, eventuell die gleichen Wege gegangen sein.

    Nun ja, Sprache neu lernen, also, noch immer. Seit bald zwei Jahren. Mit jedem Aufsatz, jeder Klausur, jedem Zuhören. Ganz oft das Herz voll, da will immer mehr Engagement in der Gesellschaft mitmischen. Sichtbar machen, was gut ist, wofür es sich einzustehen lohnt.

    So viel zu tun, so wenig Zeit (für alles, das will).

    Fuffifufzich – Feel zu spät // Frittenbude – Die Dunkelheit darf niemals siegen (feat. Jörkk Mechenbier)

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    2025, blog, personal

  • April 4, 2023

    230404

    IV

    Das mit dem Aufhören ohne aufzuhören hast du perfektioniert. Konntest nie genau sagen, was warum wieso und in welchem Tempo, hast dich ohne es zu wissen verabschiedet, mal laut, mal leise.
    Du legst den viel zu feinen, weichen und überraschend einfach wegzuradierenden Bleistift nicht beiseite, du legst ihn in hunderte Seiten dicke Bücher. Genau, die mit den besonders dünnen Seiten, die mehr nach Einpackpapier aus Luxuskaufhäusern klingen als nach Buch. Wenn du sie in die Sonne hältst, ist da fast die gleiche Transparenz, die du von den Buchstaben auf ihnen erhoffst.

    Knietief also – du hoffst, Du findest das nicht komisch – stehst du im nächsten Abschnitt. Die davor hast du nicht zurückgelassen, du nimmst sie mit. All das Lesen, Illustrieren, Hinterfragen, all die Rastlosigkeit, diese für den einen oder die andere unverständliche Pingpongartigkeit im Wesen. Du hast nichts und niemanden vergessen, zumindest nicht wirklich, gelegentlich war es mal eine Mond-, mal eine Sonnenfinsternis, die anderes in den Vordergrund rückte.

    Nun. Es ist das eine, es zu wissen, damit zu planen. Das andere ist es, damit umzugehen. Ein gegenseitiges Balancieren, ein Spiegeln, ein ein besserer Mensch werden können, dank der letzten Monate, Wochen, Tage.

    Ab jetzt: Sprache als Instrument, ein anderes als bisher: Werkzeug, Skalpell. Nicht zum Schneiden anderer; für die Genauigkeit, die du zu oft vermisst hast.

    Säkert! – Snooza

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    2023, Anke Grünow, du, personal

  • März 27, 2023

    230327

    II

    Ähnlich wie die Jahreszeiten durchläufst auch du Zyklen. Pünktlich kurz vor Frühlingsbeginn: das Hinterfragen von Strukturen. In dir, in anderen, in deiner Herangehensweise an künstlerische, an intellektuelle Arbeit. Ein Herausarbeiten und Anpassen bereits vorhandener Prozesse. Wie genau läuft deine kreative Arbeit ab? Welche Stufen durchläufst du bevor du einen Text, Illustrationen, Skizzen, Konzepte als abgeschlossen betrachtest? Als so fertig, dass du dir selbst ehrliche Einschätzungen geben kannst, wie lange muss etwas dafür in deinen Schubladen liegen?

    Die Weidenkätzchen, nein, die Äste, sind so ineinander verkeilt, dass sie aus dem Eimer fallen, sobald du dich ihnen auch nur nähern willst. Ein Anfang, ein „Neu“, ein Aufatmen, ein Loslaufen: Begriffe, die du vermeintlich verstanden hattest, immer wieder in deinem Kopf hin und her gewälzt hast, im Mund teilweise so herrlich rund gelutscht hast, dass du ihre eigentliche Bedeutung, ihre Wirkung verloren hast.
    Früher: Wachstumsschmerz, Trauer über das Werden. Heute: Kaleidoskop, Konfetti, Freude auf und über das Werden.

    Auf das Fensterbrett des im letzten Jahr neu eingerichteten Reisebüros im Souterrain hat irgendjemand ein Buch mit dem Titel „Ich hasse den Sommer“ gelegt.

    Abschütteln, was an Gedanken über die Zukunft bisher in deinem Körper zu finden war, wie ein schlechter Traum, wie ein eingeklemmter Nerv zwischen den Schulterblättern.
    Mal wieder, neu, mit Anlauf: hier sein, jetzt. Tief einatmen, sich dabei ertappen, alles wirklich verdammt gut zu finden.

    Kraków Loves Adana – Love Love Love

    III

    Da ist in Gedanken wieder Disko Peter; altes Herz, eine Nebelmaschine, die ihre Zuschauer sucht, und Neues, das sich schon längst seinen Weg gebahnt hat. Oh, Du. Der Winter hängt dir nicht mehr in den Knochen.

    Angels & Airwaves – The Adventure

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    2023, Anke Grünow, du, personal

  • Februar 12, 2023

    230212

    I

    Sich schließende Kreise, irgendwo in Charlottenburg (mal wieder). Sinustachykardie, kein Grund zur Sorge, das geht vorbei, das ist nach schwerem langem Infekt durchaus normal. Du nickst, sprichst nicht viel, welche Fragen solltest du auch stellen. Beim Belastungs-EKG Beine wie zu lang gekochte Spaghetti, beim Langzeit-EKG Herzrasen in Ruhe. Das wird also ein langer Weg zurück zur Form; die Tage kompakt, das Licht kompakter. Aufatmen, als der kürzeste, längste Monat beginnt.

    Ein Beginn, wieder einer. Herausfinden, was wie Zeit kann; für sich noch immer erörtern, wie lang Zeit dauert. Vergessen, erinnern, wieder vergessen – monatelang; verschwunden für die einen, nicht greifbar für die anderen. Und genau da liegt ein Missverständnis: vielleicht bist du nicht verschwunden, sondern endlich aufgetaucht.

    Cousines Like Shit – Over Night

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    2023, Anke Grünow, du, personal

  • Oktober 24, 2022

    221024

    VIII

    Wilmersdorf, September

    Du liegst in einem riesigen Plastik-Donut mit Sockel, an dessen Seite Somatom Emotion steht. Du fragst dich, was genau das über einen Computertomographen sagen soll. Die Person mit den Gefühlen liegt in ihm, großer Raum, kaltes Licht, Krankenhaus eben. Trotzdem ist da ein wenig Neugier gemischt mit Ehrfurcht. Klare Anweisungen werden von der Maschine kommen. Einatmen. Luft anhalten. Normal weiteratmen. Du starrst an die Decke, wunderst dich, dass es nicht nach Klinik riecht, die Flexüle in deinem linken Handrücken schabt unangenehm in deiner Vene herum. Du denkst an das Gespräch mit dem Radiologen, es auszuschließen oder es nicht auszuschließen, das ist hier die Frage. Du siehst ihn nur von unten, über Kopf. Als wäre er nur herangeschwebt, um aus der Ecke über dem Ende des Sichtfelds zu erfragen, ob es so dringend sei, eine Lungenarterienembolie auszuschließen. Ein wenig musst du lachen, ähnlich wie auf dem Weg von deiner Hausarztpraxis in die Notaufnahme, als im Rettungswagen das Blaulicht angeschaltet wird. Nenn es Überforderung, wenn du willst. Du wirst den Radiologen nach dieser Frage nicht mehr wieder sehen.

    Mit Druck landet dann das Kontrastmittel in deinem Körper; der Pfleger hatte dich schon davor gewarnt, wo es sich wie anfühlen wird, du erschreckst dich ein wenig. Es verteilt sich sehr schnell in deinem Körper, schneller, als du es erwartet hattest. Ein schwer beschreibbares Körpergefühl. Dann ist das alles vorbei, du hättest zu gern die CT-Aufnahmen mitgenommen, deine Lunge und dein Herz hättest du sogar gerahmt.
    Es wird am Ende eine Notiz eines unauffälligen Befundes auf einem Arztbrief mit vielen Blutwerten, die du später im Versuch eines Verstehens in eine Tabelle mit anderen Blutwerten übertragen wirst. Du weißt schon, Tendenzen, Referenzrahmen. Die Hämatome um die und unter den Einstichstellen der Flexülen wirst du noch Wochen später sehen.
    Das war dann also „lediglich“ dein Herzmuskel und dessen Entzündung, das ist er immer noch. Das ist Herzrasen, der unvermittelte Abfall deiner Herzfrequenz, ein aus dem Takt geratenes Hochfahren. Das ist die unvermittelte Synkope. Immerhin keine LAE.


    Stuttgart, September

    Über der von Wänden umzäunten Zone voller Teppich und unbequemen Sitzmöglichkeiten hängt ein Schild, auf dem „Success Lounge“ steht. Vegetarisch bedeutet hier zumeist Baguette oder Brötchen mit Käse, Tomaten und Gurke.

    Berlin, Oktober

    Auf dem einen Plakat im Bahnhof steht es sei Cuffing Season; an den Häuserfassaden suchen die Wespen Einlass.

    Sich eingestehen, wenn es Zeit ist, eine Idee hinter sich zu lassen. Dir fällt eine Last von den Schultern, die du nicht adäquat vermitteln kannst. Vielleicht, weil das Warten viel schlimmer ist, wenn es auf beinahe unbekannte Sicht in deinem Leben steht, ohne Garantie auf Auflösung. Als würdest du, würden sich deine Teile erst so zusammen schieben, zusammen schieben lassen wie Schiebepuzzle. Als hätte es die Zeit gebraucht. Bewusste Entscheidungen treffen, mit Wissen um die Extraarbeit, die es immer gelten wird zu leisten. Im Vergleich. Es geht dir dabei so gut wie noch nie zuvor in deinem Leben. Beinahe so, wie Hesse es schrieb.
    Dann fängt eben – zum Glück – etwas Neues an.

    Totally Enormous Extinct Dinosaurs – When The Lights Go

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    2022, Corona, du, personal

  • August 22, 2022

    220822

    VII

    Zwischen Fulda und Berlin, August
    Seen, verteilt über die Landschaft wie Schokostreusel auf Butterbrot. Menschen, mit denen du Erlebtes teilen kannst. Ein paar Wolken, Sonne dahinter, bis zum Boden gehende Lichtstrahlen. Es hätte auch Sand aus der Sahara sein können. Aus dem Zug und dem Wunsch entgegensehen, mehr Zeit zu haben für eine Landschaft, die nicht die deine ist, nicht die deine sein wollte, aber hätte sein können.
    Abzweig Himmelsthür, irgendetwas mit Verspätung. Der Mann gegenüber zieht sein „Life is Pain“ T-Shirt zurecht. Im Grunewald brennt der Wald.

    Berlin, August
    Zu wissen, dass es irgendwo eine Möglichkeit von dir gibt, gegeben hätte, die an irgendeinem Punkt einen anderen Weg eingeschlagen hat. Ein großer Trost, ein schönes Aufzeigen von Optionen. Wie bei Pflanzen, deren Wurzeln sich Bahnen schlagen: hier unter dem Bitumen hindurch auf die andere Seite der viel befahrenen Straße, dort an die Stelle, an die Luft, die die Menschen passieren. Nach unten hin verjüngender, feiner, verletzlicher. Schon Erlebtes, Entschiedenes, das sich ebenso viel Raum nimmt wie Erinnerungen, die du mit jedem Erinnern größer und wichtiger werden lässt.
    Echte Geschichten anderer, gelegentlich fremder, Menschen anziehen, als wären es Kleider; so viele Lagen übereinander, dass sie nicht mehr zählbar sind. Alles vernähen miteinander, bis es keine Möglichkeit gibt, sich zu bewegen. (Axiom)

    Kino:
    Everything Everywhere All At Once, Axiom, Die Magnetischen

    Kowloon – Come Over

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    2022, Corona, du, personal

  • Juni 19, 2022

    220619

    VI

    Unsortierte Fragmente der letzten Wochen.

    14:35 Uhr, Friedrichstraße
    Es wird passieren, ich hoffe du weißt es noch immer.

    14:45 Uhr, Kulturkaufhaus
    They are very dreamy, but they are not the sun.

    08:31 Uhr, Potsdamer Straße
    Der Kopf immer noch eine Wetterumbruchstation. Viel zu hell, nicht zu laut, die Hauptstraße schläft, die Busse können pünktlich rollen.

    10:12 Uhr, S+U Friedrichstraße
    Der erste Saufkoffer des Jahres, der dein Blickfeld streift, steht fast vergilbt in einem der Souvenirläden, an denen du vorbeifahren musst. Während du dich fragst, was das soll, hast du “Menschen an einem Montagmorgen zum Lächeln bringen durch eigenes Lächeln“ zur Herausforderung deines Tages gemacht. Erfolgsquote 25%, Endgegner Regen.

    18:37 Uhr, Kantstraße/Theater des Westens
    Am Filmpalast wieder der Jazz. Der Mann mit Saxophon, der wie damals nach Fabian die Stadt vertont, als könnte sie nicht schöner sein. Neben dem S-Bahnbogen an der Bushaltestelle übergibt sich jemand auf die Reste einer Schranke.

    17:08 Uhr, Tiergarten-Süd
    Irgendjemand hat mit Kreide “Frieden“ und “Ruhm“ in Kinderschrift, aber auf Erwachsenenhöhe, mehr an die Hauswand gemalt als geschrieben. An die Wand, die selten Licht bekommt, vor der die Amseln für ihre Nester suchen und beinahe im Graubraun des nicht wachsen wollenden Rasens verschwinden.

    13:45 Uhr, Potsdamer Platz
    Schulklassen und (wieder) leere Betonsteppe. Menschen, die Schneisen fotografieren. Big City Life, this place is healing.
    Kurzsichtigkeit als Standortvorteil. Nichts scharf sehen können ohne Sehhilfe bis circa 30cm vorm Gesicht. Damit strategische Nutzung des natürlich eingebauten Blur-Effekts im Sommer.

    Muff Potter – Nottbeck City Limits / Parcels – IknowhowIfeel

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    2022, Corona, du, personal, tl;dr

  • Mai 22, 2022

    220522

    V

    Der erste Herbst war ein Rohbau, da vorne an der Ecke. Der Weg zu den Linden war Frühling; der erste Sturm, der erste tiefgreifende Petrichor schon Sommer. Du bist nicht nur der feine Sommerregen, auch der starke, deutlich vor seiner Zeit kommende, aber du weißt, dass auch das nichts zu bedeuten hat. Nein, falsch – es bedeutet mehr als du zugibst.
    Gelegentlich das Bedürfnis, lieber noch ein wenig darin zu baden anstatt darüber zu schreiben. Haubentaucher und Orte und Gefühle, die verspätet kommen.

    Vielleicht haben wir uns falsch ausgedrückt, missverständlich. Kurz vor der Kasse Eso-Synth CDs zu Orten, an denen du nie warst. Inseln, auf dem Cover übertrieben in Nebel gelegt, zu ungerechtfertigt friedvoller Pan-Flöte. Ein Meme als Beschreibung der Welt. Oh Brasch, was ist da nur verlorengegangen.

    Irgendwo, immer: viel zu kleine schwere Handtaschen, die in Ellenbogenbeugen hängen. Du stellst das nach mit schweren Einkaufsbeuteln und lachst, während du die Straßenseite wechselst.

     Max Richter – The New Four Seasons – Vivaldi Recomposed: Summer 1 (2022)

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    2022, Corona, du

  • Mai 14, 2022

    220514

    IV

    J fragt, ob es schon mal die Idee gab „ein Buch zu schreiben“ und während es immer Worte gibt, in die man sich einwickeln mag, blieb es dann doch bei dir meist fragmentarisch, wenn es ums Veröffentlichen ging.

    Du, vor dem Bücherregal, Wolf oder Berg oder Tokarczuk, Hein dazu; Zutrauen kein Unding, Liebe kein Phantom1. Wie es – alles – sich aufeinander aufbaut, Stein für Stein, wie mit Worten. Später merkst du, wie du es in allem mittlerweile als gesund empfindest: das Leise, das schöner wirkt als das Laute. Flaggenmasten voller roter Fahnen braucht es nicht mehr. Zeit nehmen willst, musst du dir, Zeit. Angenehm, warm.

    Was hast du früher gewütet, bist losgestiebt, was konntest du deine Eindrücke und Empfindungen dann nicht mehr auseinanderhalten, was hast du gebrannt, dann beinahe sofort. Was hast du dir nur damals verwehrt zu lernen: das ist nicht wie mit dem Schreiben in einem Rausch; wie konntest du das früher als gut für dich empfinden. Als wäre es für dein Gehirn ein Nahkampf mit Elstern um das Glänzendste, Aufregendste, und Kurzweiligste. Um etwas, dem du dadurch zu wenig Bedeutung schenkst. Zurücknehmen, dich, um dem um dich herum gerecht zu werden. Atmen, tief; beobachten, zusehen, mit den Fingerkuppen die Formen nachfahren, gelegentlich bis dabei neue entstehen; glauben können. Dinge nehmen, wie sie sind und kommen wollen.

    1 Wolf, Christa. Kein Ort, Nirgends. Suhrkamp BasisBibliothek, Suhrkamp, 2006, p. 66.

    Menschen, die dich nach vorne treiben, nicht nur ermutigen, genau die. Die Paroli bieten und Anstöße geben. Die, die dich inspirieren weniger apologetic zu sein für all deine unterschiedlichen Interessen, die, die antreiben. Die die überhöhte – am Ende aber rhetorische – Frage nach dem guten Leben, die für die einen oder anderen immer wieder am Horizont erscheint, mit dem Vorweisen des eigenen beantworten können. Schwierigkeiten und andere Fragestellungen hin oder her. Die, denen du in ihrem Drive auf deine Art folgen willst. Mehr davon. Ein nachhaltiger Wurf hin zum Tun, der auch wahrgenommen werden will.

    Kleine Klickmomente, und sei es nur darum. Genau das, genau dafür, immer wieder.

    Mall Grab – Love Reigns / Max Richter – The New Four Seasons – Vivaldi Recomposed: Spring 1 (2022)

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    2022, Corona, du

  • April 11, 2022

    220411

    III

    Du fragst dich wie viel Leben in wie wenige Jahre gestopft werden kann, wie viel täglich verlorengeht an dem, was hätte werden können. Das kann niemand mehr gut trennen von dem Alltag, der für gewöhnlich alles überdeckt, was auch nur im Ansatz nach Weltereignis schreit. Es bleibt nun wieder, wie seit Wochen: die Worte gibt es, nur die Sprache fehlt. Ein Vorhang fällt nach unten, er hebt sich nicht mehr komplett. 
    Eventuell sollte exakt jetzt geschrieben werden. Schreiben als Muss, als Beschreibung, wie all die Zeit zuvor schon. Du denkst an Nünning, denkst dir, dass das doch von allen nur als unzuverlässig erzählte Geschichte bewertet werden kann. Falscher Pathos hat nun keinen Platz. Wenn schon keine Worte, dann wenigstens Zeichnungen: mechanisch, Schema, genau, mit weniger Emotionen verbunden. Mindestens, immerhin das, etwas allgemein gültiges, das alle betrifft, alle gemein haben, in allen so oder so ähnlich funktioniert. Wenn sie leben.

    Da in der Straße, in der zwei Adler direkt nebeneinander liegen, unironisch jeweils um I und II erweitert, werden derzeit die Spuren von Jahrzehnten entfernt. Stammhaus Lieblingscafé, ein bisschen alter Glanz, das riecht nicht nur in den Toiletten so, das sieht man im Alter der Spiegel; im Sommer der alte feine Schotter in den Schuhen, hohe Decken. Ginge es nach Etagenhöhe, hätte deine Wohnung ein Grand Hotel werden können. Meter weiter Fassaden mit Glas über zwei Etagen, die im Beton verankerten altmodisch ausschauenden Heizkörper ähnlich hoch. Kisten, die sich in der Spiegelung des Sonnenlichts der in die Jahre gekommenen Häuser gegenüber auftürmen. Ein paar Meter weiter noch die Reste von Liebe, Sex und Träumen, ein heruntergekommener Industrie-Hinterhof, der so gar nicht mehr in die Gegend passen will. Eine Krähe hackt einer Taube eben doch ein Auge aus.

    Träge schiebt der Frühling sich selbst an, die Mäntel noch farblos vor lauter Kälte. In der Sonne sitzen, da an der Ecke, wieder, die Notizbücher in den Taschen. Backstein, gelegentlich. Und es weht das Moos vom Dach, kein Asphalt mehr aufgebrochen von Eis, der Kanal ruhig, beinahe müde. In Kreisen ziehen, den Radius erweitern, die großen Zehen außerhalb des Gewohnten. Von Altem Abschied nehmen, im Guten, es in sich arbeiten lassen, weitermachen. Eine Idee, wie das Leben, das du erreichen, dir erarbeiten willst, gelebt werden will, hast du schon länger. Checklisten, die dich daran erinnern. Du, wie du dich daran erinnerst: du hast lange genug gewartet. Aber ein Beginn will eben ebenso angefangen werden. Things do accumulate.

    Get Well Soon – Mantra

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